römisches Gastmahl

römisches Gastmahl - Fresko aus Pompeii


Vom Umgang mit Sklaven II. (Epistula XLVII, 5-8)

(5) Zudem ist ein Sprichwort, das derselben Arroganz entspringt, in aller Munde, es gebe ebenso viele Feinde wie Sklaven:' nicht haben wir jene zu Feinden, sondern wir machen sie dazu. Indessen übergehe ich andere Grausamkeiten und Unmenschlichkeiten, daß wir sie durchaus nicht als Menschen, sondern als Lasttiere mißbrauchen. Wenn wir uns zu Tisch niedergelegt haben, wischt einer den ausgespuckten Speichel weg, ein anderer kehrt, unter dem Speisesofa kauernd, das von Betrunkenen Hinterlassene zusammen.
(6) Ein anderer tranchiert sündteures Geflügel; durch Brust und Keulen führt er mit sicheren Schnitten seine geschulte Hand und holt Fleischstücke heraus, der Unglückselige, der für dieses eine lebt, Mastgeflügel kunstgerecht zu zerschneiden; nur daß noch erbärmlicher ist, wer dies um der Genußsucht willen lehrt, als wer es gezwungenermaßen lernt.
(7) Wieder ein anderer , der Mundschenk, nach Weiberart herausgeputzt, ringt mit seinen Jahren: nicht kann er dem Knabenalter entgehen, man holt ihn zurück; und er, seinem Körperbau nach bereits ein Soldat, durchwacht glattrasiert, oder durch Auszupfen gründlich enthaart, die ganze Nacht, die er zwischen Trunksucht und Wollust seines Herrn teilen muß; im Schlafzimmer ist er ein Mann, beim Gelage ein Knabe."
(8) Ein anderer, dem die Begutachtung der Gäste anvertraut worden ist, steht unglücklich herum und hält Ausschau, wen Schmeichelei und Maßlosigkeit des Gaumens oder der Zunge für eine Wiedereinladung am folgenden Tag empfiehlt. Denk Dir dazu noch die Einkäufer der Küchenvorräte, die eine subtile Kenntnis des herrschaftlichen Gaumens besitzen, die wissen, welche Speise mit ihrem Geschmack seine (= des Herrn) Eßlust anregt, welche ihn (schon) beim Anblick ergötzt, durch welchen Reiz eines unbekannten Gerichtes er, an Übelkeit leidend, wiederhergestellt werden kann, wovor es ihn allein schon wegen Übersättigung ekelt, worauf er an jenem Tag Appetit hat.
Mit diesen zu speisen erträgt er nicht, und er betrachtet es als eine Schmälerung seiner Würde, mit seinem Sklaven an ein und denselben Tisch zu treten.

Übersetzung: Franz Loretto



Seneca (latein)


Seneca

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Hans-Jürgen Günther

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