(11) Zunächst ist jeder Art von Lebewesen von der Natur mitgegeben, dass sie sich, ihr Leben und ihren Körper schützt,
das meidet, was schädlich scheint, und alles, was zum Leben notwendig ist, sucht und beschafft, wie Nahrung,
Verstecke und anderes dergleichen.
Der gemeinsame Trieb aller Lebewesen ist jedoch das Streben nach Vereinigung zum Zwecke
der Zeugung und eine gewisse Sorge für diejenigen, die man gezeugt hat.
Aber zwischen Mensch und Tier besteht besonders
der Unterschied, dass dieses nur, insoweit es vom Instinkt gesteuert wird, allein auf das, was vorliegt
und gegenwärtig ist, sich anpasst, wobei es Vergangenheit und Zukunft nur ganz wenig wahrnimmt.
Der Mensch aber, weil er vernunftbegabt ist, wodurch er die Folgen absieht, erkennt die Ursachen; die vorhergehende Entwicklungsstufen und gleichsam
vorausgehenden Gründe sind ihm bekannt; er vergleicht ähnliche Vorgänge und verbindet und verknüpft mit den gegenwärtigen
das Zukünftige, sieht leicht den Ablauf des ganzen Lebens, und beschafft sich die nötigen Voraussetzungen, um es zu meistern.
(12) Eben diese Natur bringt auch vermöge der Vernunft den Menschen dem Mitmenschen nahe zu einer Sprachgemeinschaft und einer Lebensgestaltung,
sie pflanzt ihm vor allem eine ganz außerordentliche Liebe zu denjenigen ein, die er gezeugt hat, und treibt ihn an zu wollen, dass Versammlungen
und Gesellschaften der Menschen stattfinden und daran teilzunehmen und dass er aus diesen Gründen danach strebt, das zu beschaffen,
was zur Verschönerung und Meisterung des Lebens beiträgt, nicht für sich allein, sondern für die Ehefrau, die Kinder und die übrigen,
die er liebhat und beschützen muss. Diese Sorge weckt auch den Geist und lässt ihn größer werden, um Taten zu vollbringen.