Gegner des Hexenwahns

Obwohl der Hexenwahn so viele Menschen befallen hatte, gab es immer einige, die darin ein Unrecht sahen und versuchten ihre Mitmenschen eines Besseren zu belehren. Doch je mehr der Wahn die Menschen gefangengenommen hatte, desto gefährlicher wurde es für den Einzelnen, von der vorherrschenden Meinung abzuweichen. Aus Angst selbst verfolgt zu werden blieben sie daher häufig anonym.

Zu Beginn des 16.Jh. erregte die Schrift des Arztes, Theologen und Juristen Cornelius Agrippa von Nettesheim "De occulta philosophia" großes Aufsehen und brachte ihn schließlich hinter Gitter, nachdem er sich auch durch die Verteidigung einer der Hexerei angeklagten Bäuerin verdächtig gemacht hatte. Der mutige Mann hinterließ jedoch einen Schüler, der sich im Kampf gegen den Hexenwahn noch einen Namen machen sollte.

Johannes Weyer, der Leibarzt des freisinnigen Herzogs Wilhelm III. von Kleve, Jülich und Berg besaß die Courage sein Werk "De praestigiis daemonum et incentationibus ac veneficiis" 1563 zu veröffentlichen. Er bestritt darin nicht die Existenz des Teufels und des Teufelspaktes, sondern er entband die der Hexerei beschuldigten Frauen ihrer Verantwortung, indem er sie als einfältig und töricht erklärte. Sie sollten sich ihre Gräueltaten lediglich in ihrer Phantasie eingebildet haben und würden wohl eher eines Arztes, als der Folter und des Scheiterhaufens bedürfen. Er war der Ansicht, dass der Satan den Menschen den ganzen Unfug der Hexenlehre lediglich vorgaukle, damit sie durch die Hexenprozesse, also durch die grausame Ermordung von Unschuldigen, gegen die Gebote Gottes verstießen. Seine Schrift schlug ein wie eine Bombe und fand mit der Übersetzung ins Französische und Deutsche große Verbreitung.
Im Lager der Hexenverfolger führte sie zu heftigster Kritik. Der Anklage als Hexenmeister entging er durch seine Flucht zum Grafen von Bentheim bei Osnabrück. Der Jagd auf die vermeintlichen Hexen konnte sein Werk allerdings nur kaum Einhalt gebieten. Aber es hat andere ermutigt sich seinem Protest anzuschließen.

Einer von ihnen war der holländische Professor Cornelius Loos. Auch für ihn waren die teuflischen Taten der Hexen Hirngespinste und ihre Geständnisse keinesfalls ernst zu nehmen, da sie ja lediglich von der Folter erpresst worden waren. Nachdem er sein Werk "Tractatus de vera et falsa magia" in den Druck gegeben hatte, ohne es zuvor zensieren zu lassen, wurde es sofort beschlagnahmt und er selbst zum Widerruf gezwungen. Später, als Pfarrer in Brüssel, nahm er diesen Widerruf zurück und wurde vorübergehend inhaftiert. Einer weiteren Verhaftung entging er nur durch den Tod.
 
 

Zu Beginn des 17.Jh., einer Zeit in der die Hexenjagd am schlimmsten wütete, erschienen eine Reihe bedeutender Schriften, die ihrer Zeit den Spiegel vorhielten. Ihre Verfasser waren vor allem Geistliche die diesen Wahn nicht mit ihrem Glauben vereinbaren konnten.

Ein bedeutender Skeptiker dieser Zeit war der Jesuit Friedrich Spee, dessen berühmtes Werk "Cautio Criminalis" 1631 anonym erschien. Er war ein sehr vielseitig interessierter Mann, Professor für Philosophie und Domprediger in Paderborn. Er selbst kannte die Not der Frauen sehr wohl, da er Beichtvater zahlreicher der Hexerei Verurteilter war. Aus tiefem Mitleid heraus wurde er zu einem entschiedenen Gegner der Hexenprozesse, vor allem deswegen, weil er keine der verurteilten Hexen, die er zum Scheiterhaufen begleitet hatte, für schuldig hielt. Er griff in seinen Werken nicht die Vorstellung des Vorhandenseins von Hexen an, sondern in erster Linie das Prozessverfahren an sich. Er war der Ansicht, dass die Beschuldigten nicht von vornherein als schuldig angesehen werden dürften und es sollte ihnen ein Verteidiger zur Seite gestellt sein, denn viele würden trotz ihrer Unschuld gestehen. Sehr entschieden kritisierte er die Eigenmächtigkeit der Henker aber vor allem sprach er sich gegen seine Berufskollegen, die Beichtväter aus. Die Gefangenen fänden in ihren eigentlichen Seelsorgern "nur taube Statuen, einzig von dem Wunsch beseelt, sie fortwährend der Hexerei zu beschuldigen und sie, als ob sie durchweg schuldig wären, unersättlich mit schnöden Namen zu belegen. Da heißt man sie halsstarrig, verstockt, widerwärtige Huren, Besessene, Teufelsfratzen, stumme Kröten, Höllenknechte usw." Spee ließ seine Schrift allerdings nicht drucken, da er sehr wohl wusste, was ihn erwarten würde. Er brachte sie lediglich anonym unter seine Freunde. Ohne sein Wissen gab es aber dann einer von ihnen in den Druck. Daraufhin wurde er im Orden verdächtigt der Autor zu sein und ihm wurde nahegelegt seine Entlassung zu beantragen. Im Herbst 1632 wurde er nach Trier versetzt, wo er bei der Pflege pestkranker Soldaten im Alter von 44 Jahren starb. Leider war auch durch sein Werk, das bis zu dieser Zeit sicherlich das aufrichtigste und mutigste war, ein Abnehmen der Hexenprozesse nicht festzustellen.
 
 

Doch in der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg entwickelten die Menschen ein neues Lebensgefühl und eine neue Denkweise. Die Naturwissenschaft, die damals einen großen Aufschwung erfuhr, hatte so manches als Phantasterei entlarvt. Der Geist der Aufklärung begann sich langsam auszubreiten. Der Mensch als ein Vernunftwesen, das war etwas ganz Neues, Faszinierendes und durchaus Verlockendes.

Der bis dahin schärfste Angriff auf den Hexenwahn kam dann auch aus Holland, dem freiheitlichsten Land im damaligen Europa. Der reformierte Pfarrer Balthasar Bekker aus Amsterdam verurteilte in seinem Werk "De betooverde wereld" (die verhexte Welt) alle Hexengläubigen sehr. Wie auch Weyer bestritt er nicht die Existenz des Teufels. Seiner Ansicht nach hatte aber Gott die größte Machtstellung und dem Teufel so große Macht zuzuschreiben sei Torheit und Gotteslästerung zugleich. Es seien also die Menschen selbst, die sich betrögen und nicht der Teufel, der ihnen den ganzen Hexen-Unfug vorgaukle, wie Weyer noch glaubte. Damit entfesselte Bekker einen Sturm der Empörung. Er wurde aus dem Predigeramt gejagt und es wurde ihm jede weitere Tätigkeit als Seelsorger untersagt. Dies hinderte ihn jedoch keineswegs daran einen zweiten Band zu verfassen, in dem er als erster feststellte, dass es keine Hexen gibt und auch nie welche gegeben habe. Dadurch, dass der Mensch alles Böse auf den Teufel schiebe, entledige er sich nur seiner eigenen Verantwortung. Der Mensch müsse endlich beginnen das Böse in sich selbst zu bekämpfen. Dass Bekker die Macht des Satans dermaßen verringerte war aber weder der Kirche, noch dem Staat Recht, da sie in ihm eine sehr effiziente Methode sahen, ihre Untergebenen im Zaum zu halten. Ihrer Ansicht nach brauche das Volk, wie immer wieder betont wurde, den Teufel als furchteinflößende Instanz. Das war auch der Grund warum es auch den Regierungen lediglich um die Verbesserung der Prozessführung ging. Um durchschlagende Erfolge zu erzielen war Bekker wohl zu radikal, aber er regte dennoch viele damit zum Nachdenken an, in einer Zeit, in der die Menschen gerade vorsichtig begannen sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen.

Der Durchbruch gelang dann einem der führenden deutschen Aufklärer: Christian Thomasius.
Dieser verkörperte mehr als jeder andere den Sieg der Vernunft über den noch immer lebendigen Hexenwahn. Durch Gerichte griff Thomasius die Hexenverfolgung stark an. Er wollte, dass der Staat das " Naturrecht " durchsetzt und somit auch das Recht eines jeden Menschen auf Leben, Eigenständigkeit und Glück. Dabei dürfe der Staat aber nicht mit göttlichen Geboten für Gerechtigkeit sorgen, sondern einzig und allein mit den Grundsätzen der Vernunft und Zweckmäßigkeit. Ferner müssten damit auch die Hexenprozesse verboten werden, denn diese beruhen einzig und allein auf verworrene religiöse Vorstellungen von den Umtrieben des Teufels und seiner Helfershelfer. Diese mutigen Forderungen erregten wid erwartet großes Aufsehen, wobei viele Angegriffene versuchten den gefährlichen Kritiker zum Schweigen zu bringen. Doch anstatt aufzugeben wiederholte Thomasius 1704 seine Forderungen nach der Abschaffung der Hexenprozesse unter dem Titel "Kurze Lehrsätze von dem Laster der Zauberei" in Buchform. Ein Jahr später forderte er auch die Abschaffung der Folter. Im Jahre 1712 gelang es ihm nachzuweisen, dass die ganze widersinnige Hexenlehre durch die Abergläubischen Erlasse der Päpste seit 1500 in die Welt gekommen sei.

Der entscheidende Schluss-Strich wurde aber 1714 von dem "Soldatenkönig"Friedrich Wilhelm dem Ersten gezogen. Dieser erließ ein Edikt, in dem er befahl, dass ab sofort alle Urteile in Hexenprozessen ihm selbst vorzulegen seien. Damit wurden die Befugnisse der Hexenrichter stark eingeschränkt und die glückliche Folge davon war, dass die Scheiterhaufen in Preußen Dank Christian Thomasius und seinen Vorstreitern erloschen.

Friederike Nebel & Maria Meicher
Quellenangabe:


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